Kosmische Erziehung – Grundlagen der Montessori-Pädagogik
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Was braucht eine gelingende Bildung?
Letzte Woche wurden im Artikel: Ein alternativer Bildungsansatz: Montessori-Pädagogik bereits einige Ideen aus der Pädagogik Maria Montessoris vorgestellt.
Ein Kernaspekt dieser Pädagogik ist die Einstellung, das Kind selbst als Lehrer zu sehen.
Nicht nur kennt es seine Bedürfnisse selbst am Besten, in jedem Kind steckt vielmehr noch das ganz natürliche Bedürfnis, ungestört und vielfältig zu lernen, selbstbestimmt und unabhängig zu handeln und ordentlich, sauber und respektvoll aufzutreten.
Mit gezielter, kindgerechter Anleitung, die eine angemessene Zurückhaltung mit einschließt, können – so berichtet Montessori aus jahrzehntelanger praktischer Erfahrung – diese Qualitäten entfaltet werden.
“Manifestation des Göttlichen”
Bemerkenswert ist vor allem ihre gedankliche Grundlage hierbei, insbesondere Montessoris Ideen aus ihrer Kosmischen Erziehung. Dahinter verbergen sich zwei Hauptideen: Erstens, was die Welt, und das einzelne Kind in ihrem Inneren sind; und zweitens, was dies für eine Lehrkraft impliziert.
In ihrem Buch „Kosmische Erziehung“ stellt sie die Natur als „Manifestation des Göttlichen“*¹ fest. Sie schreibt ferner, dass in der Natur jedes Wesen seine bestimmte Aufgabe erfüllt, die vom göttlichen Geist geleitet ist. Jedes Geschöpf hat dabei eine „innere Aktivität […], die ein Verdienst bedeutet“.*²
Genauso sei auch ein Kind von bestimmten Direktiven geprägt, die diesem kindlichen Wesen eine innere Anleitung zur eigenen Entwicklung mitgibt.
Montessori hebt allerdings zwei Unterschiede zu den Tieren hervor: zunächst, dass der Mensch weniger vom Instinkt geprägt ist als die Tiere. So kann der Mensch etwa noch nicht sofort gehen, sondern muss erst diese Muskeln ‚beseelen‘. Ferner ist der Mensch nicht gebunden an eine bestimmte Rolle, vielmehr zeichnet ihn aus, dass „er keine Grenzen hat und sich allem anpassen kann“*³ (Hervorhebung im Original).
Was bedeutet diese Erkenntnis für die Erziehung?
Montessori schreibt dazu, dass „wir bedenken müssen, dass das Kind von der Geburt an eine Kraft in sich hat. Wir dürfen nicht nur das Kind sehen, sondern Gott in ihm. Wir müssen die Gesetze der Schöpfung in ihm achten“.*⁴ Und dann insbesondere:
„Wir dürfen nicht denken, wir könnten das Kind machen; wenn wir das tun, verderben wir das göttliche Werk. Wenn wir meinen, wir seien es, die das Kind formen, bauen wir nicht den aktiven Teil im Kinde auf“.*⁵
Das heißt: In jedem Kind steckt eine immanente, göttliche Kraft, die sich ausdrücken möchte. Es gilt also, dieser Kraft Raum zu geben, anstatt sie in bestimmte vorgeformte eigene Vorstellungen zu zwängen. Das Kind ist kein hilfloser Zellhaufen, den wir als Erzieher und Erzieherinnen formen müssen, sondern die „Inkarnation“*⁶ einer Seele.
Auf den Punkt gebracht ist Erziehung ein Dienst am Göttlichen im Kind. Diese demütige und liebevolle Haltung allein kann zur völligen Entfaltung kindlichen Potenzials führen. Montessori schreibt dazu:
„Das Geheimnis der Erziehung ist, das Göttliche im Menschen zu erkennen und zu beobachten, d.h. das Göttliche im Menschen zu kennen, zu lieben und ihm zu dienen; zu helfen und mitzuarbeiten, von der Position des Geschöpfes und nicht der des Schöpfers […] die Aufgabe die sich die Lehrer selbst vorgenommen haben, ist gewöhnlich gewesen, weiches Material zu modellieren und leere Gefäße zu füllen. Aber wir müssen uns darauf einstellen, die verborgenen Wunder im Kinde zu sehen und ihm zu helfen, sie zu entfalten“.*⁷
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*¹: Montessori, Maria: Kosmische Erziehung. Herder, Freiburg im Breisgau 1988, S. 14.
*²: Ebd., S. 15
*³: Ebd., S. 16
*⁴: Ebd., S.17f.
*⁵: Ebd., S. 18
*⁶: Ebd., S. 17
*⁷: Ebd., S. 19
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