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Wirtschaft, Leben & Physik

Was zeichnet Leben aus? Leben, aus Sicht der Physik, ist ein ganz und gar unwahrscheinlicher Zustand, denn von selbst, von Natur aus könnte man sagen, strebt eigentlich alles hin zu einem Gleichgewicht. Das Leben aber hält sich daran nicht.

Mischt man warmes mit kaltem Wasser, wird die resultierende Temperatur zwischen den beiden ursprünglichen Temperaturen liegen. Die Endtemperatur entspricht dem aus zwei zusammenfließenden Energieströmen entstehenden Gleichgewicht. Daher nennen wir sie auch Gleichgewichtstemperatur.

Im streng physikalischen Sinne ist Wärme nichts als Bewegung. Kein Atom oder Molekül steht jemals still. Selbst ein scheinbar regungsloses Objekt steckt voller Bewegung, der Bewegungen seiner Teilchen. Den Grad oder das Ausmaß dieser inneren Teilchenbewegungen nehmen wir als Wärme wahr.

Ist etwas sehr warm oder gar heiß, erhalten wir ein Signal zur Vorsicht. Die darin enthaltene Menge an Bewegung könnte uns gefährden, sollte sie sich auf uns übertragen. Etwas sehr kaltes hingegen ist unangenehm, da wir Gefahr laufen, dass uns das kalte Objekt zu viel unserer eigenen Bewegung oder Energie entzieht.

Bewegung, so beobachten wir es zum Beispiel bei Temperaturausgleichsprozessen, hat eine natürliche Tendenz, sich gleichmäßig zu verteilen. Liegt irgendwo ein Bereich konzentrierter Energie vor, fließt dessen Energie für gewöhnlich in Bereiche geringerer Energie ab, ganz ähnlich wie Wasser einen Abhang hinunterfließt. Dieses Naturgesetz macht es unter anderem auch so schwierig Energie, ob in Form von Elektrizität oder Wärme, zu speichern.

Energie und Bewegung streben stets hin zu einem Gleichgewicht.

Leben, eine unwahrscheinliche Bewegung

Vergleichen wir Leben mit sogenanntem unbelebtem, können wir leicht sehen, dass sich Leben deutlich durch das Ausmaß in ihm vorhandener Bewegung auszeichnet. Während einfache Materie ihre Position und Gestalt nur durch äußere Einflüsse verändern kann, können Lebewesen eigenständig agieren.

Leben ist eine Form konzentrierter Bewegung oder Energie. Etwas, das nach den Gesetzen der Physik dazu tendieren sollte, sich aufzulösen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Leben hat die fundamentale Eigenschaft, sich selbst zu erhalten!

Leben ist kein Gleichgewichtszustand, sondern ein Zustand permanenten Ungleichgewichts. Permanent? Wir alle sind uns den Grenzen dieses Zustandes nur allzu bewusst. Doch wie gelingt es dem Leben, sein unwahrscheinliches Dasein für lange Zeit aufrechtzuerhalten?

Es bedient sich verschiedener Formen verfügbarer Energien aus seiner Umwelt, wie beispielsweise Luft oder Nahrung, und integriert diese in sein eigenes Dasein.

Gleich einer Kerze, deren Flamme Wachs verschlingt, um sich selbst aufrechtzuerhalten, sind Lebewesen auf ständige Energiezufuhr von außen angewiesen, um sich selbst zu erhalten.

Wirtschaft, ein lebendiger Prozess

Der Wirtschaft zeichnet sich dadurch aus, dass selbstständig handelnde Individuen miteinander interagieren, um ihre materielle Versorgung zu sichern oder zu verbessern.

In ihrem Kern unterscheidet sich die Wirtschaft damit nicht wesentlich vom Leben selbst. Sie ist die Gesamtheit vieler Prozesse oder Bewegungen, deren Energieniveau über dem ihrer Umwelt liegt. Um diese erhöhte Konzentration von Energie aufrechtzuerhalten und nicht zu zerfallen oder zu „sterben“ ist sie, wie wir auch, auf die Zufuhr äußerer Energie angewiesen.

Wie die benötigte Energiezufuhr aussieht, kann sich je nach Entwicklungsgrad und Ausprägung der Wirtschaft unterscheiden. Eine Gesellschaft von Jägern und Sammlern mag in großem Maße vom Zustrom neuer Nahrung abhängig sein, die durch mühsame Expeditionen im Überschuss eingebracht werden müssen, damit nicht direkt an der Lebensmittelbeschaffung teilnehmenden Individuen, wie etwa einem Bogenbauer oder eine Töpfer, ihrem Werk zu nachgehen können.

Die aufrechterhaltende Energie im Falle einer solchen, rudimentären Wirtschaft sind die Nahrungsmittel selbst und die wirtschaftlichen Prozesse oder Bewegungen zielen primär darauf ab, jeden mit Nahrung zu versorgen, ermöglichen dabei aber die Erschaffung komplexerer Güter, die den Wohlstand über die simple Grundversorgung hinaus steigern können.

Eine ausreichende Energiezufuhr ermöglicht die Ausbildung kooperativer Strukturen, die eine größere Verfügbarkeit materieller Güter für alle erzeugen können.

Verschlechtert sich die Situation und die Jäger und Sammler finden nicht mehr genug, um Teile ihrer Beute abzugeben, werden die Töpfer und Bogenbauer auch selbst auf Nahrungssuche gehen müssen. Als Folge dessen sinkt die Qualität verfügbarer Werkzeuge und damit der Wohlstand für alle. Im Extremfall hin bis zum vollständigem Stillstand wirtschaftlichen Treibens. Die Flamme der Kerze erlischt, weil ihr das Wachs ausgeht.

Fossiles Lebenselixier

Unser heutiges Wirtschaftssystem ist global und hochkomplex. Sein Funktionieren hängt von vielen Faktoren ab. Zentral ist jedoch, trotz aller Bemühungen dies zu ändern, die Verfügbarkeit fossiler Energieträger.

Sie halten uns warm, transportieren uns und unsere Güter von A nach B und sind wesentlicher Bestandteil industrieller Landwirtschaft und damit entscheidend für unsere Lebensmittelversorgung.

Für viele dieser Zwecke können fossile Energieträger nicht ohne Weiteres ersetzt werden. Häufig kommt es nicht nur auf die Verfügbarkeit einer ausreichenden Menge von Energie an. In welcher Form die Energie vorliegt, zu welchem Preis und zu welchem Zeitpunkt sind oft ebenso entscheidend. Zwar kann theoretisch jede Energieform in eine andere umgewandelt werden, in der Realität benötigt dies jedoch oft selbst große Energiemengen und ist unwirtschaftlich.

Wie sehr unser globales Wirtschaftssystem von Energie abhängt, zeigt auch die Entwicklung des weltweiten pro Kopf Energieverbrauchs der letzten Jahrzehnte. Während der Pro-Kopf-Verbrauch im größten Verbraucherland, den USA, seit den 1970er Jahren nicht mehr steigt und tendenziell fällt, stieg der Durchschnittsverbrauch pro Erdenbürger stetig weiter an. Das ist die Folge steigender Lebensstandards in anderen Teilen der Welt.

Die Weltbevölkerung wächst, gemessen an historischen Standards, weiter schnell an, und um jedem neuen Menschen einen Lebensstandard entsprechend dem globalen Durchschnitt zu ermöglichen, brauchen wir stets dieselbe Energiemenge von derzeit etwas über zwanzigtausend Kilowattstunden pro Jahr.

Außer während Krisensituationen wie der Weltfinanzkrise 2008 oder der Ölkrise der 1970er Jahre, ist der weltweite Pro-Kopf-Energieverbrauch während der letzten Jahrzehnte ausschließlich gestiegen. Gleichzeitig stieg der materielle Wohlstand vieler Milliarden Menschen.

Das Jahr 2018, also zwei Jahre vor der Corona-Krise, markiert eine Zäsur dieser Entwicklung. In diesem Jahr fand der bisher höchste Pro-Kopf-Energieverbrauch statt. In keinem Jahr zuvor und danach stand einem Erdenbürger durchschnittlich so viel Energie zum Verbrauch zur Verfügung.

Anders als bei vorigen, durch andere Entwicklungen bedingten Einbrüchen des Pro-Kopf-Verbrauchs, scheint dieser Rückgang der mangelnden Verfügbarkeit fossiler Energieträger selbst zu entstammen. Hier stören wohl nicht innere Prozesse des Wirtschaftssystems die Nachfrage nach Energie, sondern der Zufluss in das System scheint an seine Grenzen gekommen zu sein.

Mit Blick auf unsere Jäger und Sammler Gesellschaft befinden wir uns einem Zustand, der jenem ähnelt, bei dem es nicht mehr gelingt ausreichend Nahrungsmittel einzubringen, um die Wirtschaft in ihrer bisherigen Form aufrechtzuerhalten.

Verringert sich die Energiemenge, die einem durchschnittlichen Erdenbürger zur Verfügung steht, wirkt sich das direkt auf den materiellen Wohlstand aller aus. Zumindest theoretisch. Praktisch werden Vermögendere ihre Mittel dazu einsetzen, um ihren Zugang zu Wirtschaftsgütern zu sichern, während schwächere oder ärmere in existenzielle Not geraten.

Diese Entwicklungen werden nicht zwingend bewusst gesteuert. Sie können sich auch aus unserem sich selbst-organisierenden Wirtschaftssystem heraus ergeben. Alle Akteure verfügen über begrenzte Informationen, unterschiedliche Prioritäten, Ausgangspositionen und Persönlichkeiten. Dieses Wechselspiel kann allerlei negative Konsequenzen nach sich ziehen.

Wird der Kuchen kleiner, muss folglich irgendwer weniger haben, als zuvor. So entstehen, ausgehend von der lebenserhaltenden Ebene des Systems, also der sich verringernden Energiezufuhr, Spannungen entlang von Verteilungsfragen.

Diese Spannungen führen zu Konflikten, welche sich auf vielerlei Weise manifestieren können. Oft ohne direkt erkennbaren Zusammenhang zur eigentlichen Konfliktursache, der vorliegenden Energieknappheit. Viele Akteure, welche die tatsächliche Ursache kennen, haben darüber hinaus ein Interesse, andere über die Geschehnisse im Dunkeln zu lassen. Je weniger Menschen über Knappheit informiert sind, desto weniger Konkurrenten sieht man sich im Verteilungskampf gegenüber.

Die Wirtschaft, wie auch die Kerze oder das Leben, ist aus physikalischer Sicht ein Zustand im Ungleichgewicht. Um bestehen zu können, benötigen solche Zustände eine regelmäßige Energiezufuhr. Die Kerzenflamme erlischt ohne Wachs, Menschen sterben ohne Nahrung.

Das Lebenselixier unserer Wirtschaft sind fossile Energieträger. Diese scheinen knapp zu werden. Gleich dem unregelmäßigen Flackern, welches das baldige Erlöschen einer Kerzenflamme vorwegnimmt und ähnlich zu Krankheiten Mangelernährter, welche deren drohendes Ende ankündigen, entwickelt eine unterversorgte Wirtschaft Symptome, die sich als politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Spannungen manifestieren.

Neue Energie, Neue Wirtschaft

Fossile Energieträger werden knapp. Auf absehbare Zeit wird sich diese Situation wohl nicht verbessern.

Ist die Menschheit dazu verdammt, in vormoderne Zustände zurückzufallen? Nein, ist sie nicht, denn sie verfügt über eine Energiequelle, die weitaus mehr Potenzial besitzt, als fossile Energieträger es jemals könnten.

Diese Quelle anzuzapfen ist keinesfalls leicht oder ohne Aufwand möglich. Das Gegenteil ist der Fall, Umdenken und Anstrengung sind nötig.

Als Menschen verfügen wir über ein Werkzeug, dessen Hauptaufgabe die Lösung von Problemen ist. Häufig kann dieses Werkzeug nicht voll zum Einsatz gebracht werden, weil verschiedene Umstände es erschweren oder verhindern.

Unser Verstand. Er hat das Potenzial, jeden zu jeder Zeit dabei zu unterstützen, aufkommende Herausforderungen mit verfügbaren Mitteln zu lösen. Behindert wird unser Verstand oft von uns selbst. Dogmen, Glaubenssätze und als sicher geglaubtes Wissen versperren allzu häufig unseren Blick auf neue Möglichkeiten.

Das beinahe unbegrenzte Potenzial menschlichen Ideenreichtums steht uns als Quelle neuer Energie zur Verfügung. Um es voll zu erschließen, müssen wir uns mit uns selbst auseinandersetzen. Wir müssen verstehen lernen, wo unsere selbst auferlegten Begrenzungen liegen, um im nächsten Schritt zu lernen, sie abzustreifen.

Spiritualität, der systematische Blick nach innen, ist der Weg unseren Verstand zu befreien und mit seiner Hilfe ein neues Wirtschaftssystem zu errichten, dessen Energie ständig in allen von uns verfügbar ist.

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