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Der Inhalt des Artikels entspricht der Meinung des Autors und nicht notwendigerweise der Meinung der Redaktion.

Von Indrajit Joachim Vogt.

Geosentiment.

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“Dieses Jerusalem ist total vergiftet mit einer Überdosis Geschichte.”
Amos Oz, israelischer Schriftsteller (1939 – 2018)

Wenn ein Stück Erde zum Objekt der Verehrung wird.

Das Geosentiment bindet die Gedanken und Gefühle an bestimmte Orte und Territorien, idealisiert und überhöht diese zu angeblich heiligen Städten, Flüssen oder Bergen oder zu nationalem Besitztum. Dabei sind Konflikte vorprogrammiert, denn Ansprüche verschiedener Parteien überschneiden sich naturgemäß immer wieder. Leider führt das aufgeheizte Gerangel um Territorien und Landesgrenzen selbst in unserer modernen Welt immer wieder zu zerstörerischen Auseinandersetzungen um Staatsgebiete und um angeblich heilige Stätten.

Beispiel 1: Geo-Nationalismus.

Die Vorstellung eines Staatsgebietes innerhalb bestimmter Grenzen ist ein wichtiges Element in der Definition von Nationalstaaten und in deren Selbstverständnis. Nur gab es in den letzten Jahrhunderten kaum ein Jahrzehnt in Europa, in dem nicht irgendwelche Ländergrenzen verschoben wurden, und dies wohl immer nach kriegerischen Auseinandersetzungen.

Die Freude der einen Seite über die Erweiterung des Staatsgebietes ist dann gleichzeitig der Unmut und schwelender Widerstand auf der andern Seite. Konflikte um Territorien sind quasi ins Genom des Nationalstaats einprogrammiert. Und die Begeisterung der Bevölkerung für “ihr Land” wird oft politisch angeheizt. So entsteht Geo-Nationalismus mit allen Konsequenzen.

Doch dem Nationalismus zugrunde liegt nicht mehr als ein gemeinsamer Mythos in den Köpfen. Anstatt bei Grenzziehungen Vernunftaspekte zugrunde zu legen (Zusammensetzung der Bevölkerung, Sprache, wirtschaftsgeographische Bedingungen etc. – den Gegebenheiten und den Wünschen der Bevölkerung angepasst!), streiten sich die Staatsführer meist um die eigenen Pfründe und schicken ihre Armeen los, um ihre Interessen durchzusetzen.

Die Crux mit den Nationalstaaten.

Die Bewahrung bzw. Erweiterung des eigenen Staatsgebiets steht bis heute ganz oben auf der Agenda von Regenten und Regierungen aller Couleur. Das Mittel der Wahl dafür sind bis heute Kriege und Annexionen. Um solche Kriege zu rechtfertigen werden alle denkbaren Ansprüche – historische, kulturelle, sprachliche – geltend gemacht bzw. der eigenen Bevölkerung eingeredet.

“Das Vaterland! Die Provinz XY des Nachbarlandes hat vor 200 Jahren schon einmal uns gehört! Sie ist Teil unseres Erbes und Teil unseres Landes, lasst es uns zurückerobern!”

So geht Nationalismus. Er überhöht die Bedeutung eines Territoriums um in der Bevölkerung die notwendige Kriegsbegeisterung für die geplante Annektion zu nähren. Die wahren Gründe – strategische Ausdehnung des eigenen Machtgebiets, Zugang zu Rohstoffen und Arbeitskräften u.v.m. – werden verschwiegen.

Beispiel 2: Geo-Religion.

Auch in Religionen, wo es doch eigentlich um den Einen Gott und seine Eine Schöpfung geht, werden bestimmte Örtlichkeiten zu Heiligtümern erhoben und oft bis aufs Messer umkämpft. Wie viel Blut wurde vergossen, damit die europäischen Kreuzfahrer in ihrem religiösen Übereifer ihren Anspruch auf das “Heilige Land” in Szene setzen konnten…

Jerusalem, die heilige Stadt! Bis heute führen konträre Ansprüche auf angeblich heilige Stätten in Jerusalem zu bewaffneten Konfrontationen.

Schauen wir weiter nach Osten: der Hinduismus, schillernd in der Vielfalt seiner Gottheiten und Rituale, erhebt das verschmutzte Gangeswasser zu einem Medium der Erleuchtung. Oder Benares, Geburtsort Krishnas und seit Jahrtausenden als heilige Stadt verehrt: wer hier stirbt, wird für immer von allen Leiden der Wiedergeburten erlöst, so das hinduistische Dogma.

Auch der Glaube an den spirituellen Wert von Pilgerfahrten zu angeblich heiligen Orten fällt in diese Rubrik. Ja, das Reisen an sich mag psychologisch eine positive Wirkung haben, ebenso wie das Zusammentreffen mit spirituell Gleichgesinnten.

Doch die Orte an sich haben mit der spirituell-ethischen Entwicklung des Einzelnen, die im Innern stattfindet, nichts zu tun. Die Versprechungen der Kleriker verschleiern den nicht immer einfachen, aber richtigen Weg der Selbstfindung.

Überwindung von Geosentimenten.

Geosentimente blockieren das freie, undogmatische Denken durch gefühlsgetriebene, nicht mehr hinterfragte Prämissen, auch Dogmen genannt. Sie verengen den Blickwinkel auf die Welt. Sie lähmen den Verstand. Was hilft, ist Aufklärung und nüchterne, aber wohlwollende Vernunft.

Die von Sarkar betonte rationalistische Geisteshaltung wurde bereits erwähnt. Sie setzt die Fähigkeit zu kritischem, unabhängigem Denken voraus. Zunächst denkt man dabei wohl an das Bildungswesen, in dem die Grundfähigkeiten entwickelt werden.

Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, sollte das Schulwesen nicht unter politischer Kontrolle stehen. Mehr über die Bedeutung von Vernunft und Gewissen im gesellschaftlichen Prozess im Artikel Gelenktes Denken.

Und wie bereits angedeutet, sollten staatliche Grenzen nach rationalen Kriterien ggf. auch neu gezogen werden, sobald das ganze Thema nicht länger “geosentimental belastet” ist und böses Blut erzeugen kann. Unter den heutigen Machtstrukturen, in denen gesellschaftliche Gruppen mit allen Mitteln um ihren Machterhalt und um ihre Privilegien kämpfen, wird sich dieses nicht bewerkstelligen lassen.

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Wir danken dem Autor für die Erlaubnis zur Veröffentlichung dieses Textes.
Dieser Artikel erschien zuerst auf cosmicdance.de:

https://cosmicdance.de/art/40/geosentiment

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