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Der Mensch hat eine emotionale Tendenz, sich mit Dingen zu identifizieren, die er mag, mit allem, was ihm Freude bereitet. Diese Tendenz wird im Englischen mit dem Begriff sentiment bezeichnet. Dieser Begriff wird hier mit Zugehörigkeitsgefühl übersetzt [Anm. des Übersetzers].

Geo-Sentiment als begrenztes Zugehörigkeitsgefühl.

Es ist üblich, sich der eigenen Familie und dem engen Freundeskreis verbunden zu fühlen. Darüber hinaus ist in vielen Teilen der Welt die Zugehörigkeit zu einem Clan, Stamm oder einer Gemeinschaft sehr wichtig.

Die meisten Menschen betrachten sich auch als Mitglieder oder Bürger einer bestimmten Region oder Nation und glauben oft, dass ihr Land irgendwie besser und wichtiger ist als alle anderen. Sarkar bezeichnet diese Art von Patriotismus oder Nationalismus als ein Ausdruck Geo-Sentiment.

Die Überzeugung, dass die eigene Nation anderen überlegen ist, drückt sich u.a. negativ in dem Slogan “Mein Land, richtig oder falsch!” und in der Diskriminierung von Ausländern aus. Es war [und ist] dieses Gefühl, das die emotionale Rechtfertigung für Kolonialismus und Imperialismus lieferte.

[Es gibt allerdings auch einen gesunden Patriotismus. In diesem Falle setzen sich Menschen einfach schlicht für berechtigte Interessen ihres Landes oder ihrer Region ein, um frei von Abhängigkeiten oder Manipulation anderer Länder oder ausländischer Akteure zu sein.

Dabei steht das Wohl der jeweiligen Landesbevölkerung im Vordergrund, allerdings aus einem Gefühl regionaler bzw. Verantwortung, weniger aus einem Gefühl der Überlegenheit gegenüber anderen Ländern oder Regionen. – Anm. des Übersetzers]

Das Sozio-Sentiment.

Die Identifikation mit der eigenen Rasse, Religion, Klasse oder dem Geschlecht unter Ausschluss anderer Gruppen wird als Sozio-Sentiment bezeichnet. Sowohl Geo-Sentiment als auch Sozio-Sentiment haben zu zahllosen tragischen Konflikten und Kriegen geführt, die, in den Worten von P.R. Sarkar, “der schwarze Fleck des menschlichen Charakters” sind. [1]

Politiker, die diese Gefühle ausnutzen, um an Popularität zu gewinnen, können sehr mächtig werden, aber sie können ihre gesamte Gemeinschaft oder Nation in den Untergang führen.

Der Neohumanismus als Überwindung aller begrenzten Gruppengefühle.

Neohumanismus ist ein von P.R: Sarkar geprägter Begriff, der in seinem Buch “The Liberation of Intellect: Neohumanism” erläutert wird. Er drückt den Prozess der Ausweitung des eigenen Gefühls oder der Loyalität vom bloßen Eigeninteresse hin zu einem Gefühl der Empathie und Identifikation mit einem immer größeren Teil der Menschheit und des Universums aus.

Eine aufgeklärte Bildung, die einen rationalen, hinterfragenden Verstand entwickelt, kann ein Gegenmittel gegen einschränkende Gefühle und Vorurteile sein.

Wenn Bildung unser Identitätsgefühl auf die gesamte Menschheit ausweitet, werden wir unweigerlich Schmerz über das Leiden anderer empfinden, wo auch immer sie sein mögen. Dies wiederum inspiriert uns dazu, uns für soziale Gerechtigkeit und sozialen Dienst einzusetzen.

Neohumanismus und Humanismus.

Warum Neohumanismus? Die Philosophie des Humanismus entstand in Europa während der Renaissance als Reaktion auf die unlogischen Dogmen, den Raubbau und die Vorherrschaft der katholischen Kirche. Damals verlangte der machtvolle Klerus blinden Glauben und totalen Gehorsam.

Später, im Zeitalter der Aufklärung, lehnten viele westliche Humanisten die Vorstellung von einem transzendenten Gott außerhalb der menschlichen Erfahrung ab. Stattdessen verließen sie sich auf Logik, wissenschaftliche Forschung und Vernunft und vertrauten nur auf das, was beobachtet und gemessen werden konnte.

Dies befreite sie zwar von der kirchlichen Herrschaft, führte aber zu einem neuen Dogma der materiellen Physik und des “wissenschaftlichen” Materialismus als alleiniger Instanz für Wahrheit und Fakten. Die Ablehnung Gottes zwang die Humanisten zu einer tiefgreifenden Suche nach der persönlichen und politischen Bedeutung von Begriffen wie “Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit”, einem Slogan der Französischen Revolution.

Grenzen des Humanismus.

Die Humanisten bemühten sich, eine natürlichere und rationalere Moral zu finden. Bald stießen sie jedoch auf das Problem des moralischen Relativismus. Freiheit wovon? Gleichheit im Verhältnis zu was? Gut und Böse schienen davon abzuhängen, wer darüber urteilte. Innerhalb eines solchen relativen Rahmens ist der Sinn des Lebens nicht immer klar.

Dies kann dazu führen, dass sich der Humanist in einem spirituellen Vakuum befindet, ohne transzendente Werte und ohne Orientierung – er treibt in einem Meer von sich verändernden, widersprüchlichen Ideen.

Der Humanismus hat noch andere Grenzen. Wenn er mit dem Internationalismus verbunden ist, wie im Fall der Vereinten Nationen, können seine Anhänger von politischen Differenzen und Eifersüchteleien geplagt werden. [2] Wenn er auf dem Glauben basiert, dass es nichts Größeres als das menschliche Ego gibt, dass kein höheres Bewusstsein in uns ist, können Humanisten zynisch und materialistisch werden.

Die Philosophie des Humanismus kann auch dazu führen, dass der Mensch andere Arten vernachlässigt, sie als minderwertig betrachtet und sie für seinen Profit ausbeutet. Diese Haltung wird als Speziesismus oder Anthropozentrismus bezeichnet.

Neohumanismus als allumfassendes Wohlwollen.

Sarkars Neohumanismus fordert uns auf, diese Einschränkung zu überwinden, indem wir das gesamte Leben in unsere Definition dessen, was real, wichtig und respektabel ist, einbeziehen. Obwohl der Mensch die am weitesten entwickelte Spezies auf diesem Planeten ist, haben auch andere Tiere ein Bewusstsein und Gefühle.

Unsere Handlungen und unser Verhalten sollten immer mehr Liebe und Respekt gegenüber allen Lebewesen und unbelebten Objekten im Universum zum Ausdruck bringen. Eine Weltanschauung, die sich auf Universalismus und Neohumanismus gründet, erkennt also die spirituelle Familie der Menschheit an, eine Familie, die Nationen übersteigt und in der spirituellen Ökologie verwurzelt ist.

Der Neohumanismus ist ein umfassendes Konzept, das körperliches Wohlergehen und Sicherheit, intellektuelle Anregung und Ermutigung sowie geistiges Wachstum und Erfüllung fördert.

Der Neohumanismus befreit den Intellekt von engen Gefühlen und festgelegten Doktrinen und schafft ein gemeinsames Gefühl des Mitgefühls. Wenn man alle Menschen und den Rest des manifesten Universums als Kinder des einen Höchsten Bewusstseins betrachtet, spürt man, dass das Leid der Welt sein eigenes Leid ist und das Glück der Welt sein eigenes Glück ist.

Der Inhalt dieses Artikels ist dem zweiten Kapitel des Buchs After Capitalism von Dada Maheshvarananda entnommen.

Quellen:

[1] P.R. Sarkar, Thoughts of P.R. Sarkar (Kalkutta: Ananda Marga
Publications, 1981) S. 91.
[2] Für eine vernichtende Verurteilung der UNO von innen, siehe
Graham Hancock, Lords of Poverty: The Power, Prestige, and
Corruption of the International Aid Business (New York: Atlantic
Monthly Press, 1992).

 

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