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Von Indrajit Joachim Voigt


Im Verständnis der tantrischen Tradition hat das, was wir essen, 
nicht nur körperliche Auswirkungen, sondern wirkt auch auf die Psyche.

Dass Schmerzmittel, Halluzinogene und Rauschmittel alles Mögliche mit unserer Psyche anstellen, ist eine Selbstverständlichkeit, über die niemand mehr nachdenkt.

Die tantrische Schule unterscheidet nun auch alltägliche Nahrungsmittel nach ihrer Wirkung auf unser geistiges Befinden. Ich möchte hier vor allem auf die psychischen und seelischen Aspekte von Ernährung eingehen – die rein körperlichen, ökologischen und ethischen Aspekte, bsd. des Fleischkonsums, werden ja heute bereits breit diskutiert.

 

Vegetarismus

Die Quintessenz einer Studie des Max-Planck-Instituts aus 2019/2020 lautet: “Je weniger tierische Produkte man zu sich nimmt, desto geringer ist der Body-Mass-Index und desto weniger neigt man zu Extrovertiertheit.” (zum Artikel)

Ohne mich an dieser Stelle auf psychologische Fragen über Intro- und Extrovertiertheit einzulassen oder die Kausalität zu hinterfragen, nehme ich dieses Studienergebnis einmal als Fingerzeig auf den Kernaspekt der Tantralehre in Bezug auf Ernährung.

 

Die kosmischen Urkräfte in unserm Essen

Jedes Nahrungsmittel wird laut Tantralehre unter dem Einfluss statische Kraft (tamaguna,) die im Fleisch dominiert und dem Geist im Wege steht. Durch die Auswahl der Nahrungsmittel können Menschen das geistige Wachstum fördern. Lebensmittel werden je nach Dominanz einer bestimmten Urkraft (guna) wie folgt eingeordnet:

Tamaguna (statisch)


nicht empfehlenswert

Rajaguna (mutativ)


nur in geringen Mengen empfehlenswert

Sattvaguna (empfindend)


uneingeschränkt empfehlenswert

Fleisch und Fisch, Eier, Alkohol, Zwiebelgewächse, Pilze Kaffee, Tee, Kakao Gemüse (außer Zwiebelfamilie), Obst, Milch(produkte), Hülsenfrüchte, Getreide(produkte)

 

Empfohlen wird “sattvische” Nahrung. Abgeraten wird von “tamasischer” Nahrung. “Rajasische” Nahrungsmittel in Maßen genossen. Im Kern geht es hier also um Lacto-Vegetarismus – mit einigen Besonderheiten. Weiter unten eine Gegenüberstellung vegetarisch <> vegan.


Betrifft: Zwiebeln und Knoblauch

Weil Zwiebelgewächse und -gewürze von der globalen Speisekarte – gerade auch der veganen – kaum wegzudenken sind, wollte ich besser verstehen, warum sie trotz der immer wieder gern genannten Gesundheitsvorteile im Tantra auf der Liste der nicht empfohlenen Nahrungsmittel auftauchen. Alle nachfolgenden Verweise auf Zwiebeln meinen die gesamte Allium-Familie (also auch Bärlauch, Schnittlauch, Knoblauch).

 

Gutes mit Fragezeichen?

Nun, der Mineralstoff- und Vitamingehalt von Zwiebeln ist hoch und Studien fördern alle möglichen biochemischen Substanzen zutage, die gegen Krebs, für ein starkes Herz usw. wirken sollen.

Auf der anderen Seite wird immer wieder darauf verwiesen, dass es um die Verdaulichkeit von Zwiebeln nicht so gut bestellt ist. So werden tägliche Höchstmengen genannt um Magenschmerzen oder Blähungen zu vermeiden, die bei empfindlichen Verdauungssystemen wohl des öfteren zu beobachten sind. Das ist in meinen Augen schon ein deutliches Warnsignal, was die gesundheitlichen Vorteile angeht.

Bei der Suche nach Zwiebelliebhabern im Tierreich ergibt sich ein etwas diffuses Bild. So scheint es manche kleine Nager zu geben, die Zwiebeln anknabbern oder als “Apotheke” nutzen, aber im großen Stil gefressen werden sie wohl nicht. Für Hunde sind Zwiebeln und Knoblauch aufgrund der enthaltenen Schwefelsäure sogar sehr gefährlich.

 

Aber der gute Geschmack?

Es ist schon seltsam, dass ein Lebensmittel, das roh so abstoßende, aggressive Gerüche verströmt wie eine frisch aufgeschnittene Zwiebel als Leckerbissen auf dem Teller gehandelt wird. Viele Kinder – nach meiner Erfahrung – sehen das wohl nicht so und haben eine instinktive Abneigung gegen Zwiebeln.

Ist es mit der Zwiebel-Euphorie vielleicht so ähnlich wie mit dem Rauchen? Dass erst die Gewohnheit die “Liebe” schafft? Für mich als langjährigen Zwiebel-Abstinenzler ist Zwiebelgeruch und -geschmack einfach nur zum Weglaufen. Leider gibt es kaum Suppenpulver, Soya- und andere Fleischersatzprodukte oder Pizzen ohne deutliche Zwiebelwürze zu kaufen.

 

Wie wirken Zwiebeln in die Psyche hinein?

Nun, laut Tantralehre stimulieren Zwiebelgewächse die unteren Chakren in besonderem Maße. Dies stört die Stille des ruhigen, fokussierten Geistes deutlich. Im unteren (muladhara) Chakra sind die Energien des Verlangens angelegt. Das zweite (svadhistana) Chakra ist direkt mit den Geschlechtsdrüsen verbunden. Und hier wird u.a. das Power- und Lusthormon Testosteron produziert.

Dass das nicht aus der Luft gegriffen ist, wird nach ein wenig Internetrecherche schnell deutlich. Ich stieß ich auf einen Artikel des US-Gesundheitsministeriums (zum Artikel) genauer des NIH, in dem eine Metastudie vorgestellt wird zu der Frage, ob Zwiebeln den Testosteronlevel erhöhen. Eine Metastudie fasst die Ergebnisse aus Einzelstudien und wissenschaftliche Arbeiten zusammen, in diesem Fall im Zeitraum seit 1967. Die meisten wurden mit Versuchstieren durchgeführt. Das Ergebnis in Bezug auf die Testosteronproduktion ist deutlich: alles weist darauf hin, dass Zwiebelkonsum den Testosteronspiegel signifikant ansteigen lässt.

Im indischen Kulturraum werden spezielle Zwiebel-Zubereitungen angeblich noch heute als Aphrodisiakum eingesetzt. Doch Testosteron (welches übrigens in geringeren, dafür aber wirkungsvolleren Mengen) auch im weiblichen Körper produziert wird, steigert ja nicht nur das sexuelle Verlangen, sondern generell auch Antrieb und Ausdauer im Positiven wie auch dominante und aggressive Verhaltensweisen im Negativen.

Darauf möchte ich gar nicht im Einzelnen eingehen, sondern lediglich die alte tantrische Erkenntnis mit Leben füllen, dass Zwiebeln & Co “etwas mit uns machen”, das einer tiefen Meditation abträglich ist.

 

Vegetarisch oder vegan?

Für überzeugte Veganer ist der Konsum jeglicher Tierprodukte per se ethisch verwerflich. Das Wort “Nutztier” soll demnach am besten ganz aus dem Lexikon der Menschheit gestrichen werden. Der Gedanke dahinter ist gleichermaßen nobel wie tantrisch: nämlich Tiere als unsere Mitgeschöpfe zu respektieren.

Warum also stehen Michprodukte dennoch auf der empfehlenswerten Seite der tantrischen Nahrungstabelle? Ist doch die moderne Milchproduktion untrennbar mit der Fleischproduktion verknüpft.

Nun, Milchprodukte haben per se keine negativen Auswirkungen auf unsere Psyche. Ich möchte gleich hinzufügen, das ich den heutigen Massenkonsum einer unüberschaubaren Menge an Milchprodukten für absolut ungesund und schädlich halte.

Von der schändlichen Massentierhaltung möchte ich hier gar nicht erst anfangen. Dass ein solcher Hinweis im Tantra fehlt, liegt natürlich einfach daran, dass es im alten Indien keine Massentierhaltung und keine prallvollen Supermarktregale mit 50 Joghurtsorten gab. Kühe sind dort seit jeher heilig und wurden auch nach ihrer aktiven Zeit als Milchspenderinnen nicht geschlachtet.

 

Wie sinnvoll ist vegane Absolutheit?

Überzeugter Veganismus lehnt die Verwendung jeglicher Tierprodukte ab – sei es Bienenhonig, Kämme oder Lederschuhe. Jeglicher Einsatz von Tieren als Nutztiere des Menschen wird ebenso abgelehnt.

Aber wie viele Tiere rettet man dadurch? Schwer zu sagen, doch die massenhafte Ausbeutung von Tieren lässt sich allein dadurch jedenfalls nicht aufhalten. Ein Problem dabei könnte also sein, dass sich manche vegane Menschen nun mit einer solchen – vermeintlich – weißen Weste zufrieden zurücklehnen, anstatt den politischen Kampf für Tierwohl aufzunehmen.

Doch die weiße Weste ist sowieso eine Illusion: ohne Schädlingsbekämpfung funktioniert auch kein Bio-Landbau. Ohne die großen Erntegeräte, die alles zermalmen und zerhacken, was ihnen unter die Räder kommt, geht leider auch nichts.

Verbesserungen dieser Umstände sind immer möglich und wichtig, aber es wird nie ohne ein gewisses Maß an Tierleid vonstatten gehen, so wie der Straßenverkehr nie ganz ohne Unfälle abgehen wird. Die Ausbreitung einer Spezies ist immer nur möglich durch die Verdrängung anderer Arten.

 

Fehlende Akzeptanz

Das andere Problem eines rigorosen Veganismus ist ein psychologisches: der Gedanke auch auf Käse und Milchkaffee verzichten zu müssen schreckt viele Fleischkonsumenten ab, denn die heutigen Ersatzprodukte können geschmacklich das tierische Original noch nicht ersetzen.

Vegetarismus und eine deutliche Reduzierung des Verzehrs an Tierprodukten hätte als gesellschaftliche Perspektive eine größere Erfolgsaussicht auf gesellschaftliche Akzeptanz. Auch eine tierfreundliche anstelle einer tierausbeuterischen Landwirtschaft ist durchaus denkbar, während eine tierlose Landwirtschaft sehr weit weg ist.

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