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Ist die Kulturbranche noch zu retten?

Einbuße in der Coronazeit und Zukunftsperspektiven.

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„Europas vielfältiges und reiches kulturelles Erbe und seine Kultur sind der Kitt, der unser gemeinsames europäisches Zugehörigkeitsgefühl stärkt. Es trägt nicht nur zum sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft, zu unserer Demokratie und zu unserer Wirtschaft bei, sondern spiegelt auch unsere europäische Vielfalt, unsere Werte, unsere Geschichte und unsere Lebensart wider. Als solche muss sie gepflegt und unterstützt werden.“

• David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlamentsi

 

Das es tatsächlich notwendig ist, die Kulturbranche nun besonders zu unterstützen, zeigt eine Studie, die durch die Europäische ‚Grouping of Societies of Authors and Composers‘ (GESAC) in Auftrag gegeben wurde.

In ihr wird deutlich, dass alleine im Jahr 2020 die europäische Kulturbranche in ihren Umsätzen um 31% eingeknickt ist. Am schlimmsten hat es die Darstellende Kunst (d.h. Theater und Tanz) mit 90% Einbußen getroffen, gefolgt von der Musikbranche mit 76% Einbußen.ii

Im Grunde haben alle Teilbranchen (Musik, Buchmarkt, Architektur, Visual Arts, etc.) mehr oder weniger stark zurückstecken müssen – bis auf die Gamingbranche. Viele kulturelle Institutionen kämpfen mit Insolvenz. Zum Beispiel wird vermutlich 1 von 8 europäischen Museen nicht wieder öffnen.iii

Ein Blick nach Deutschland: Laut Monitoringbericht des Bundeswirtschaftsministeriums arbeiten hierzulande etwa 1,8 Millionen Menschen in der Kulturbranche. Davon sind allerdings nur knapp 1 Millionen sozialversichert – der Rest ‚geringfügig beschäftigt‘ oder selbstständig. Den meisten dieser Menschen ist also mit dem Aus kultureller Veranstaltungen ihre Lebensgrundlage teilweise oder ganz weggebröckelt.iv

Hilfen und Unterstützungsmaßnahmen, um das aufzufedern reichen oft nicht aus, ihre Verfügbarkeit schwankt je nach Bundesland erheblich. Viele Kunstschaffenden waren oder sind daher auf die Grundsicherung vom Sozialamt angewiesen.v

Die Folge ist, dass sich viele Künstlerinnen und Künstler nach neuen Jobs umschauen. In Großbritannien etwa heißt es, dass ein Drittel der Musikerinnen und Musiker ihre Karriere aufgeben wollen.vi

Und das war nur Corona. Insbesondere etliche Einrichtungen der Freien Darstellenden Künste stehen mit explodierenden Energie- und Gaspreisen nun endgültig vor dem Aus. Das Publikum, das sowieso nur zögerlich oder gar nicht nach monatelangen Beschränkungen zurückkommt, kann nicht ansatzweise für kostendeckende Einnahmen sorgen.vii

In all dem Chaos, ist die Kulturbranche noch zu retten?

Der Bericht von GESAC hat schon Januar 2021 gefordert, staatliche Investitionen zur Hilfe der Kulturbranche einzuleiten und auch den legalen Weg für private Investitionen zu ebnen.viii Dies entspricht auch unseren Ideen über die gesellschaftliche Verantwortung der Kunstförderung. Der indische Philosoph und Gründer des sozio-ökonomischen Modells PROUT P.R. Sarkar schrieb etwa:

„Künstler […] sind die Führer der Gesellschaft, und es ist die heilige Pflicht der Gesellschaft, über ihr Wohlergehen zu wachen und ihnen zu helfen, ihre Existenz zu erhalten. […] Wenn die Regierung aufgrund finanzieller Engpässe in Schwierigkeiten gerät oder wenn der Staat aufgrund einer bestimmten Politik oder aus anderen Gründen nicht bereit ist, die Kunst zu fördern, müssen die Menschen außerhalb der Regierung in der breiteren Gemeinschaft die Verantwortung direkt übernehmen.“ix

 

Nun gibt es leider den Haken, dass gerade staatliches Geld aktuell überall fehlt. Das liegt nicht nur an der ‚multiplen Krise‘, sondern auch an Prioritäten. Ich erinnere nur an die 100 Milliarden für Rüstungsausgaben. Die Links-Partei hat mal eine schöne Playlist erstellt, was man alles sonst mit dem Geld sinnvolles machen könnte.x

Ein bescheidener Vorschlag sei hier angebracht: Die Selbstorganisation der Kunst durch kooperative Organisationen. Wie in den meisten anderen wirtschaftlichen Bereichen auch, lässt sich auch die Kulturbranche genossenschaftlich denken. Theater, Studios, Musikschulen etc. können etwa genossenschaftlich aufgebaut werden und bieten so größere Sicherheit für die beteiligten Künstler und Künstlerinnen.xi

Während die zentralen Institutionen noch eher im Blickfeld des Staates sind, sind künstlerische Solo-Selbstständige mit am Härtesten getroffen worden in den letzten Jahren. Die Organisation in kleinen bis mittelgroßen Genossenschaften könnte zum Beispiel auch dabei helfen, öffentliche und private Investitionen aktiv einzuwerben, anstatt auf politische Rettungsprogramme zu warten.

Neben den großen Opernhäusern, Museen, Kunsthochschulen etc. würde es dann eine Vielzahl an kooperativen Vereinen geben, die für Ausbildung, Organisation und Vernetzung sorgen. Diese Vereine oder Genossenschaften würden Künstlerinnen und Künstlern helfen, leichter an Aufträge zu kommen, durch gebündelte ideelle und materielle Ressourcen gemeinsame Projekte zu verwirklichen und in Krisenzeiten nicht ins Bodenlose zu fallen.

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