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6 Punkte für eine starke Wirtschaft.

Anhören:

Ideen eines dezentralen, lokalen und gemeinwohlorientierten Ansatzes.

 

Das ganzheitliche Wirtschaftsmodell PROUT (PROgressive Utilization Theory) des indischen Philosophen Prabhat Rainjan Sarkar bietet ein umfangreiches Kompendium an Ideen für die Entwicklung von Ländern und Gesellschaften auf wirtschaftlicher, politischer und sozialer Ebene.
Um eine Vorstellung für die Größenordnung von PROUT zu erhalten: sämtliche Artikel und Bücher, die P.R. Sarkar zu PROUT verfasst hat, zählen zusammengenommen über 1400 Seiten.

Zentrale ökonomische Ansätze von PROUT beinhalten u.a.:

  • Die lokale Verarbeitung und Verwendung natürlicher Rohstoffe
  • Die maximale Entwicklung von Industrien basierend auf den lokalen Potenzialen und Bedürfnissen einzelner Gebiete.

Aufbauend auf diesen Grundprinzipien schlägt Sarkar die folgenden Punkte vor. Sie werden in den jeweiligen Folgeabschnitten kurz erläutert.

 

  1. Es sollte diejenigen Industrien in einem jeweiligen Gebiet maximal gefördert werden entsprechend der lokal vorhandenen Rohstoffe und für den Zweck des lokalen Verbrauchs.

 

Dieses Prinzip läuft quasi diametral zur aktuellen Realität: Es ist vielmehr üblich, dass besser entwickelte Länder Rohstoffe aus weniger entwickelten Ländern importieren, verarbeiten und dann die fertigen Produkte wieder exportieren. Dadurch können allerdings die weniger entwickelten Länder nicht ihr volles wirtschaftliches und industrielles Potenzial entfalten.

Diese Form des interdependenten Handelns ist also asymmetrisch und letztlich ausbeuterisch.
Faires Handeln in einer gesunden Interdependenz setzt voraus, dass beide Parteien einen gewissen Grad an Unabhängigkeit erreicht haben. Diese Unabhängigkeit muss sich vor allem aus der lokalen Industrie speisen. Ein Land sollte sich also weitestgehend mit Nahrungsmitteln, Kleidung etc. selbst versorgen können.

 

  1. Fertige Produkte, die lokal produziert werden können, sollten nicht importiert werden.

 

Auch hier ist der Unabhängigkeitsgedanke zentral. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass es Sarkar nicht um protektionistische Bestrebungen (wie sie z.B. durch den Slogan „America First“ ausgedrückt werden) geht.

Vielmehr dienen diese Prinzipien des lokalen Denkens dazu, weniger entwickelte Länder vor Ausbeutung zu schützen. Erst dann wird nämlich Handel auf Augenhöhe möglich.

 

  1. Kein Land sollte erhebliche Investitionen in Industrien tätigen, die von dem Import von Rohstoffen abhängen.

 

Sarkar nennt hier einen weiteren Punkt, der wiederum zu lokalem Denken und wirtschaften ermutigt. Ich möchte einen weiteren Gedanken ergänzen, warum in diesen Vorschlägen so viel Potenzial steckt: Durch die allgemeine drastische Verkürzung von Transportwegen (sowohl für Rohstoffe als auch für fertige Produkte) wird die Effektivität und Effizienz der Produktion stark gesteigert.

Sarkar schlägt letztlich schlicht vor, die Rohstoffverarbeitung und die Güterproduktion zu rationalisieren:

Statt der Paradigmen: „Mit welcher Industrie lässt sich am meisten Geld machen?“ und „Wie können wir produzieren, um maximalen Profit zu erwirtschaften?“ werden diejenigen Überlegungen einer wirtschaftlichen Planung zugrunde gelegt, die die lokalen Ressourcenvorkommen und auch die lokalen Konsumbedürfnisse berücksichtigen.

Auf diese Weise rückt das Potenzial beispielsweise der lokalen Böden, Ackerflächen, Wälder, Erzvorkommen usw. erst richtig in das Blickfeld und wird mit der Ausrichtung auf den tatsächlichen Bedarf (anstatt des potenziellen Gewinns) erst mit maximaler Effektivität genutzt.

 

  1. Der erste Schritt einer dezentralen Planung sollte sich auf die Bedürfnisse der kleinsten Einheiten fokussieren, d.h. Block-Planung für Gebiete von etwa 100.000 Einwohnern.

 

Für diesen Punkt ergänzt Sarkar die Bedingung, dass die wahlberechtigte Bevölkerung ausreichend gebildet sein muss. Erst wenn es ein politisches Bewusstsein in der Bevölkerung gibt, können kompetente Vertreter ausgewählt werden, die dann auf Basis eines ausreichenden Vertrauensmandats wirtschaftliche Blockplanung durchführen können.

Dieser ökonomische Ansatz ist in dieser Form neu. Insbesondere unterscheidet er sich von der sozialistischen Planwirtschaft: der dezentrale Ansatz von PROUT setzt eine umfangreiche Kenntnis der Gebiete vor Ort voraus und kann dynamisch auf die relativen Faktoren von Zeit, Ort und Person reagieren.
Die zentralistische Planwirtschaft kann dies nicht leisten. Als träges, statisches Diktat haben alle zentralistischen Pläne in sozialistischen Staaten stets erhebliche Defizite in ihren Berechnungen und Anweisungen gezeigt.

 

  1. Als rein ökonomischer Begriff sind diejenigen Projekte als „Entwicklungsprojekte“ anzusehen, die direkt oder indirekt den nationalen Wohlstand fördern.

 

Der nationale Wohlstand wird in PROUT gemeinwohlorientiert verstanden. Ein wesentliches Ziel von PROUT ist es, die Grundbedürfnisse von Nahrung, Kleidung, Obdach, medizinischer Versorgung und Zugang zu Bildung für alle ausnahmslos zu gewährleisten.
Dieses Ziel zu verwirklichen bedeutet ohne Zweifel einen erheblichen Gewinn für den nationalen Wohlstand. Vor allem, da durch die Grundversorgung aller deren Kaufkraft erhöht wird und durch die Entwicklung insbesondere des Bildungsniveaus ganz direkt das innovative Potenzial in einem Land positiv beeinflusst wird.

PROUT schlägt also ein Umdenken bei den Werten vor: Nicht der Wert an Waren oder Dienstleistungen (also das BIP) sollte Triebkraft wirtschaftlicher Entwicklung sein. Denn es kommt in diesem System häufig zu Kapitalkonzentration bei wenigen sehr großen Konzernen – und wird im BIP positiv abgebildet. Auch werden zerstörerische Industrien, die Entwaldung, Naturzerstörung oder Überfischung betreiben, im BIP positiv berücksichtigt.

Ein rationales Konzept von nationalem Wohlstand berücksichtigt also den Wohlstand jeder einzelnen Person sowie optimalerweise auch den natürlichen Wohlstand in Form funktionierender und blühender Ökosysteme.

Damit ergibt sich folgerichtig der sechste Punkt:

 

  1. Je mehr Staatsgelder in solche „Entwicklungsprojekte“ fließen (ohne die Gehälter der Regierungsangestellten), desto besser ist es für die Wirtschaft dieses Landes.

 

Anders gesagt: jedes Land sollte bemüht sein, staatliche finanzielle Ressourcen nicht nur für Bedarfsbefriedigung zu verwenden, sondern so viel möglich zur Entwicklung wirtschaftlicher Potenziale. Diese umfassen drei Ebenen:

  • das persönliche wirtschaftliche Potenzial in Form von Kaufkraft. Voraussetzung ist Erfüllung der Grundbedürfnisse (z.B. durch ein BGE oder eine Arbeitsplatzgarantie),
  • das industrielle wirtschaftliche Potenzial, welches sich aus den lokal vorhandenen Ressourcenvorkommen speist,
  • das natürliche wirtschaftliche Potenzial der Böden, Rohstoffvorkommen, Wälder etc., welches durch klugen und nachhaltigen Umgang erhalten und genährt wird.

Zu diesem Punkt möchte ich den Vergleich zu einer Äsop’schen Fabel herstellen:
„Ein Bauer entdeckte eines Tages, dass eine seiner Hennen goldene Eier legte. Jeden Tag schaute er fortan, ob es ein neues goldenes Ei gab und freute sich, hierdurch seinen Wohlstand zu mehren. Als er eines Tages kein Ei vorfand, wurde er ungeduldig. Er nahm die Henne und schlitzte ihren Bauch auf, um die restlichen Eier zu entnehmen. Doch der Bauch war leer – und er hatte die einzige Quelle getötet, die ihn mit neuen Eiern hätte versorgen können.“

Wenn wir die Natur ausbeuten durch massive Wälderrodung, intensive Landwirtschaft oder Raubbau natürlicher Rohstoffe, so töten wir die goldene Henne, anstatt sie zu nähren.

 

Quellen:

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