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Wann endet die Krise_

Wann endet die Krise?

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Unsere Tour nähert sich dem Ende. Von Berlin trennen uns jetzt noch weniger als fünfzig Kilometer. Wir sind zwar – aus verschiedenen Gründen – weit weniger gelaufen als geplant, aber viel war es trotzdem. Sehr viel. Auch das ganze Drumherum war viel: Möglichkeiten finden Wasser aufzufüllen, um duschen zu können, wenig Privatsphäre, Stellplätze finden, Abfälle entsorgen, publizieren, einkaufen und nicht zuletzt unsere spirituellen Praktiken. Ach ja, und laufen. Viel laufen.

Insgesamt war die Stimmung dennoch sehr gut, doch in den letzten Tagen habe ich zumindest bei mir ein paar Verschleißerscheinungen bemerkt, die sich auch – langsam aber sicher – auf meine Stimmung niederschlugen.

Während ich diese Zeilen schreibe, geht es mir jedoch wieder blendend und das nicht nur wegen der Abendsonne, die meine Umgebung gerade in einem sanft rötlichen Schimmer hüllt. Vielmehr hat es etwas damit zu tun, dass ich mich heute dazu entschied, dezent meinem eigenen Wunsch nachzugehen und der kollektiven Wanderung fernblieb.

Das Ganze war weniger geplant, als dass es sich einfach ergab. Aber als ich die Gelegenheit sah, entschloss ich mich, sie beim Schopfe zu ergreifen. Ich befand mich gerade auf dem Weg, um die erste Wanderschicht – bestehend aus Aliuska aus Kais Team, Kai, Sergej und Dada – abzuholen. Dabei geriet ich kurz vor dem Ziel in eine Vollsperrung einer Bundesstraße. Der Grund war wohl ein größerer Unfall, doch so genau wollte ich das gar nicht wissen.

Ich steckte also für einige Minuten fest, während die Anderen auf mich warteten. Normalerweise fuhr ich zum Treffpunkt für die Mittagspause und dort verbrachten wir dann gemeinsam etwas Zeit. Wie sonst auch plante ich, diese Zeit für meine Mittags Meditation zu nutzen.

Aufgrund des Staus war das nun nicht möglich. Während die Anderen also schon eine Weile pausierten und weiter wollten, hatte ich vor dem Antritt meiner Etappe noch einen Programmpunkt zu absolvieren. Da ich nicht wollte, dass die Anderen nur wegen mir warten, schlug ich vor, dass sie schon einmal voraus gingen und plante, sie einzuholen.

Als ich mich dann auf den Weg machte, dämmerte mir jedoch, dass das wohl nicht so einfach würde, weil ich nur meine Handy-Navigation zur Verfügung hatte während die andere Gruppe einem speziellen Navigationsgerät mit Wanderrouten folgte.

Ich machte mich also alleine auf den Weg nach Beelitz. Wohl wissend, oder zumindest ahnend, dass ich die andere Gruppe wohl erst am Zielort treffen würde. Doch das war mir gerade recht. Ich genoss die Privatsphäre, die Stille und die Möglichkeit, mein eigenes Tempo zu gehen. Noch mehr genoss ich jedoch die Möglichkeit, mich ganz auf mein innerstes Selbst – oder das höchste Bewusstsein oder meine Seele, oder Gott, oder wie immer man es nennen möchte – zu konzentrieren.

Unterstützt von den lieblichen Landschaften Brandenburgs, verlor ich mich so Schritt für Schritt mehr in einem Gefühl von euphorischer Klarheit und all die Wehwehchen und Problemchen, die unsere Tour mit sich bringt, lösten sich in Wohlgefallen auf. Mit etwas Abstand erkannte ich, dass eigentlich all das, was mich stört, nur auf meiner eigenen Deutung der Umstände beruht.

Ja, wir haben vergleichsweise wenig Wasser zum Duschen. Aber wir haben eine Dusche an Board unseres fahrenden Hotelzimmers. Ja, ich habe Schwierigkeiten damit in diesen Umständen durchzuschlafen. Doch wieviele Menschen teilen dieses Schicksal, vielleicht sogar dauerhaft? Oder vielleicht weil sie in ständiger Bedrohung leben, zum Beispiel durch Hunger oder Krieg?

Ja, manchmal würde ich mir ein wenig mehr Rücksicht und Bescheidenheit mancher meiner Mitstreiter im zwischenmenschlichen Umgang wünschen. Doch wenn ich ehrlich zu mir selber bin, kann ich an meinem Verhalten auch einiges finden, dass so manch einen wohl stören würde. Beschwerden habe ich darüber noch keine erhalten. Wir bemühen uns offensichtlich alle um einen harmonischen Umgang, und das eigentlich ziemlich erfolgreich. Kann man in dieser Hinsicht mehr verlangen? Wahrscheinlich nicht.

So fand meine kleine, persönliche Krise heute im Lichte der tiefsten Wahrheit, die wir alle Teilen, ihr Ende. Unsere Aussenwelt können wir nur sehr begrenzt beeinflussen und auch dabei gibt es keine Garantie für Erfolg. Selbst eine einfache Handlung, wie etwa das einschlagen eines Nagels kann auf vielfache Weise misslingen – auch ohne unser Zutun. Der Hammerstiel kann morsch sein und brechen oder wir werden von einem plötzlichen Knall überrascht und schlagen daneben.

Wir haben das Recht zu handeln, doch wir haben kein Anrecht auf die Früchte unserer Handlungen. Sie entziehen sich unserer Kontrolle. Noch viel mehr gilt das bei großen, weltumspannenden Entwicklungen.

Wir müssen zwar mit voller Kraft dafür kämpfen, die gegenwärtige, kollektive Krise zu überwinden. Doch gleichzeitig müssen wir uns im klaren darüber sein, dass sie – trotz all unserer Bemühungen – noch für eine unbestimmte Zeit bestehen kann. Weder können wir ihr Ende alleine bestimmen, noch können wir es zuverlässig voraussehen.

Was wir jedoch machen können, ist die Krise für uns persönlich zu beenden, indem wir aufhören, darunter zu leiden. Der aus meiner Sicht effektivste Weg ist beständige und ernsthafte spirituelle Praxis. Sie lehrt uns, wie wir uns mit der Quelle unerschöpflicher Freude in uns verbinden können.

Das mag mystisch klingen, es ist jedoch sehr konkret und real. Jeder von uns hat alle Anlagen und Vorraussetzungen, um zu lernen, den eigenen Gemütszustand durch die Kraft seiner Gedanken zu lenken. Es stimmt, das ist nicht immer einfach. Doch bei ernsthafter Praxis ist der Erfolg garantiert.

Wann die große Krise endet, können wir nicht bestimmen. Doch für uns persönlich kann die Krise jederzeit enden. Sobald wir uns dazu entscheiden, aktiv daran zu arbeiten, den Blick nach innen zu richten, befinden wir uns auf dem Weg zu innerem Frieden. Äussere Krisen mag es dann noch geben, doch den inneren Frieden vermögen sie dann nicht mehr zu bewegen.

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