Die Akteure.

Wer oder was verbirgt sich hinter den lächelnden, besorgten, engagierten Gesichtern von Politikern und anderen öffentlichen Personen, hinter ihren wohlklingenden Ansprachen und Bekundungen? Um die gesellschaftlichen Prozesse zu verstehen, muss man hinter die öffentlichen Fassaden blicken um die tatsächlichen Intentionen, Interessen und Agenden zu durchschauen.

Denn Heuchelei und Wortbruch sind leider im Geschachere der großen Politik an der Tagesordnung, geht es doch um Macht, Privilegien und persönliche Bereicherung. Viele große Medienunternehmen, öffentliche wie private, sind dabei heute willige und aktive Mitspieler.

Sarkar beschreibt auf seine pointierte Art typische psychologische Rollenbilder von Akteuren auf der gesellschaftspolitischen Bühne. Sie alle eint ein Ziel: den Status Quo, der ihren Interessen dienlich ist, zu erhalten und eine tiefgreifende soziale Erneuerung, die dem öffentlichen Wohl dienlich wäre, zu verhindern.

Nur dass sie dies in den seltensten Fällen auch so formulieren würden.

Dem Beispiel Sarkars folgend, keine Namen zu nennen, verzichte ich hier auf persönliche Beispiele. Es geht hier eben nicht um sinnloses “Politiker-Bashing”, bei dem sich der eigene Frust an bestimmten Personen entlädt.

Machthaber können wechseln, ohne dass sich irgendetwas zum Guten verändert. Nein, worum es geht, ist ein besseres Verständnis der gesellschaftlichen Verhältnisse und Prozesse und darum den Täuschungsmanövern nicht länger auf den Leim zu gehen.

Falls sich beim Durchlesen der folgenden Beschreibungen dennoch die eine oder andere persönliche Assoziation einstellt, so trägt das natürlich zur Glaubwürdigkeit der Behauptungen bei.

Menschliche Chamäleons.

Es gibt Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens, die ihre Mäntelchen nach den wechselnden Winden hängen. Ihr berufliches Ethos lautet anscheinend: “Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?” Sie wechseln geschmeidig vom Pazifismus zur Kriegstreiberei, sie versprechen im Wahlkampf das Blaue vom Himmel und tun nach der Wahl das Gegenteil.

Sie zu identifizieren ist bei etwas Recherche nicht besonders schwer, so dass die die wahre Intention der Person dem aufmerksamen Beobachter nicht verborgen bleibt. Sarkar schreibt dazu:

“Die, die ich als menschliche Chamäleons bezeichne, retten eine unhaltbare Position dadurch, dass sie eine neue Strategie entwickeln um die Bevölkerung zu täuschen.

Sie wählen also ein neues Sentiment, abweichend von dem, welches sie zuvor verwendeten und das ihren Eigeninteressen auf Kosten des Gemeinwohls diente.

Dieser Austausch des Sentiments erfordert ein wenig Raffinesse. Ich nenne dies die “Strategie der Sentiment-Metamorphose”.
[aus P.R.Sarkar, Die Befreiung des Denkens, “Ideologie für eine neue Generation”, Absatz 9 ff]

Pseudo-Humanisten.

Auf die philosophisch-konzeptionellen Schwachstellen des traditionellen Humanismus habe ich im Artikel über das Humansentiment hingewiesen.

Unter dem Mäntelchen humanistischer Mildtätigkeit werden Spenden gegeben oder “Entwicklungshilfe” geleistet. Doch in Wahrheit soll die heimische Wirtschaft durch solche Hilfeleistungen gefördert werden, indem sie die Aufträge für die Entwicklungsprojekte an Land zieht.

Oder man spendet hunderte Millionen für Impfkampagnen in armen Ländern, anstatt mit dem gleichen Geld ortsnahe Projekte wie Trinkwasserversorgung oder kleinbäuerliche Landwirtschaft zu fördern, was der Gesundheit und Nährstoffversorgung der Bevölkerung nachhaltig zugute käme.

So fließt das “gespendete” Geld in die Taschen der korrupten lokalen Eliten und der Aktionäre der Pharmaindustrie. Sarkar schreibt:

“Wie also funktioniert diese pseudohumanistische Strategie? ‘Nach außen predigen wir die frohe Botschaft des humanistischen Idealismus, doch in Wirklichkeit fallen wir den anderen in den Rücken.’

In Ermangelung einer soliden Grundlage bleibt das gewöhnliche humanistische Sentiment unbeständig. Diese Situation is heute überall auf der Welt zu beobachten und wir müssen ernsthaft versuchen diesen Zustand zu beenden.”

[aus P. R. Sarkar, Die Befreiung des Denkens, “Pseudohumanismus”, Abs, 12]

Verbalrevolutionäre.

Wenn Worte und Taten nicht im Einklang stehen, ist Vorsicht geboten. Eine Partei in der Opposition prangert in glühenden Reden die Regierungspolitik an, doch ist sie erst selbst an der Macht, wird nichts besser. Besser für alle wäre es, könnte man die Verbalrevolutionäre schon vor der Wahl als solche identifizieren. Doch sie zu erkennen ist nicht oft einfach.

Sarkar schreibt:

“[…] Diese Menschen versuchen ihre schädlichen oder fehlerhaften Sentimente unter einem Schleier der Heuchelei zu verbergen. […] Nach außen proklamieren sie revolutionäre Neuerungen, doch tief im Innern wollen sie genau dies verhindern.

Sie verkünden das eine in der Öffentlichkeit und tun in Wirklichkeit das Gegenteil. Solche “vergoldeten Chamäleons” zu erkennen ist nicht einfach.

Während die reaktionären Kräfte leicht zu erkennen sind – sie sind offen in ihrer Ablehnung von allem was ihnen nicht gefällt […] bedarf es jedoch einiger Menschenkenntnis, um diejenigen zu erkennen, die etwas verbergen. […]

Dafür reicht einfaches Recherchieren oft nicht aus. Es sind besonders die Verbalrevolutionäre, die vollmundig ihre hochtrabenden Reden halten.

Damit beeinflussen sie die schwächeren und empfindsamen Teile der Psyche. Sie sagen Dinge wie “Mein Heimatland ist so-und-so” … “Unsere Rasse ist dies-und-das” … “Wir sind eine Rasse von Helden und Heldinnnen”.

Auf diese Weise sprechen sie die Sentimente der Bevölkerung an. Derart sentimentalisiert, denken die Menschen nicht mehr rational und folgen den Agenden. Sie merken nicht, dass sie auf falsche Informationen hereingefallen sind.”

[aus P. R. Sarkar, Die Befreiung des Denkens, “Erwachtes Gewissen”, Abs, 4]

Doch “Verbalrevolutionäre” gibt es nicht nur im Parlament, sondern überall auf der öffentlichen Bühne. So ist verbaler Protest auf Youtube ein Renner, mit dem eine Menge Geld verdient wird.

Doch was genau ist die Motivation? Ein gemeinsamer Aufruf der Protest-Youtuber zu einer großen Kundgebung an ihre Hundertausende von Fans – das würde doch mal ein Zeichen setzen für ernstgemeintes soziales Engagement. So bleibt’s beim Geldverdienen. Skandale verkaufen sich einfach zu gut.

Reformisten.

Wo genau liegt der Nutzen von Reparaturen an einem beschädigten Auto oder einem maroden Haus? Eine Frage, die im Leben immer mal wieder auftaucht und je nach Sachlage für Reparaturen oder für eine Neuanschaffung ausfällt.

Und ja, dieses Bild ist übertragbar auf die gesellschaftlichen Verhältnisse.

Inzwischen ist die Liste der Fehlentwicklungen der heutigen globalen Geldherrschaft so lang, die Ausweglosigkeit der Konflikte und der Ungleichheit so offensichtlich, dass Reformen dieses System nicht retten können.

Wer sie dennoch vertritt, verlängert damit möglicherweise das Leiden. Beispiel?

Mit den Bismarck’schen Sozialreformen im späten 19. Jahrhundert wurde das unerträgliche Elend der Arbeiterschicht teilweise gemildert (Einführung von Sozialversicherungssystemen und Arbeitsrecht), wer wollte das bestreiten?

An der fortschreitenden Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich und den ökologischen Katastrophen hat dies jedoch nichts geändert.

Der (inzwischen bröckelnde) industrielle Wohlstand beruht nun nicht mehr nur auf den Leiden der lokalen Bevölkerung, sondern den Leiden der Menschen in den ehemaligen Kolonien (heute auch “Dritte Welt” genannt). Siehe auch Ausbeutung.